Dualsystem/Geschichte
Geschichte
Entwicklung des Dualsystems
Der alt-indische Mathematiker Pingala stellte die erste bekannte Beschreibung eines Zahlensystems bestehend aus zwei Zeichen im 3. Jahrhundert v. Chr. vor. Dieses Zahlensystem kannte allerdings keine Null.
Eine Serie von acht Trigrammen und 64 Hexagrammen sind aus dem alt-chinesischen und daoistischen Text I Ching bekannt. Der chinesische Gelehrte und Philosoph Shao Yong entwickelte im 11. Jahrhundert daraus eine systematische Anordnung von Hexagrammen, die die Folge von 1 bis 64 darstellt, und eine Methode, um dieselbe zu erzeugen. Es gibt jedoch keine Hinweise, dass Shao es verstand, Berechnungen im Dualsystem vorzunehmen oder das Konzept des Stellenwertes erkannt hatte.
Schon Jahrhunderte bevor das Dualsystem in Europa entwickelt wurde, haben Polynesier binäre Zusammenfassungen von Zahlen zur Vereinfachung von Rechnungen benutzt.
Gottfried Wilhelm Leibniz erfand schon Ende des 17. Jahrhunderts die Dyadik (dyo, griech. = Zwei), also die Darstellung von Zahlen im Dualsystem. Er sah darin ein so überzeugendes Sinnbild des christlichen Glaubens, dass er damit den chinesischen Kaiser Kangxi überzeugen wollte. Dazu schrieb er an den französischen Jesuitenpater Joachim Bouvet (1656–1730):
- „Zu Beginn des ersten Tages war die 1, das heißt Gott. Zu Beginn des zweiten Tages die 2, denn Himmel und Erde wurden während des ersten geschaffen. Schließlich zu Beginn des siebenten Tages war schon alles da; deshalb ist der letzte Tag der vollkommenste und der Sabbat, denn an ihm ist alles geschaffen und erfüllt, und deshalb schreibt sich die 7 111, also ohne Null. Und nur wenn man die Zahlen bloß mit 0 und 1 schreibt, erkennt man die Vollkommenheit des siebenten Tages, der als heilig gilt, und von dem noch bemerkenswert ist, dass seine Charaktere einen Bezug zur Dreifaltigkeit haben.“
Etwas weltlicher fiel hingegen seine Beschreibung in einem Brief an den Herzog Rudolf von Braunschweig-Wolfenbüttel vom 2. Januar 1697 aus: Vorlage:Zitat
Wohl weil die feinmechanischen Fertigkeiten der damaligen Zeit nicht ausreichten, griff Leibniz beim Bau seiner Rechenmaschinen auf das Dezimalsystem zurück.
Das Dualsystem wurde von Leibniz am Anfang des 18. Jahrhunderts in seinem Artikel Explication de l’Arithmétique Binaire (Histoire de l’Academie Royale des Sciences 1703, veröffentlicht in Paris 1705) vollständig dokumentiert. Leibniz bestätigt darin außerdem die Ansicht Joachim Bouvets, eines Missionars am chinesischen Kaiserhof, der die Tri- und Hexagramme des Fu Hsi (siehe Abbildung: „Zeichen des Fu Hsi“) bei bestimmter Leserichtung als Zahlzeichen interpretiert hat. Er sah darin ein archaisches Binärsystem, das in Vergessenheit geraten ist. Diese Deutung gilt inzwischen als sehr unwahrscheinlich.
Leibniz hatte aber auch in Europa Vorgänger. Die erste Veröffentlichung des Dualsystems in Europa ist wahrscheinlich in Mathesis Biceps vetus et nova 1670 vom späteren spanischen Bischof Juan Caramuel y Lobkowitz (1606–1682), der auch Zahlen zu anderen Basen behandelt. Auch Blaise Pascal merkte schon in De numeris multiplicibus (1654, 1665) an, dass die Basis 10 keine Notwendigkeit ist.
1854 veröffentlichte der britische Mathematiker George Boole eine richtungsweisende Arbeit, die detailliert ein logisches System beschreibt, das als Boolesche Algebra bekannt wurde. Sein logisches System bereitete der Realisierung von elektronischen Schaltungen den Weg, welche die Arithmetik im Dualsystem implementieren.
Die ersten Realisierungen in der Technik
- Im November 1937 vollendete George Stibitz, der später bei den Bell Labs arbeitete, seinen Relais-gestützten Rechner „Modell K“ (nach „K“ für „Küche“, wo er ihn zusammengebaut hat), der die Addition im Dualsystem beherrschte.
- 1937 baute Konrad Zuse eine auf dem Dualsystem basierende Rechenmaschine, die mechanische Zuse Z1, welche aber aufgrund mechanischer Probleme unzuverlässig arbeitete.
- 1937 fertigte Claude Shannon seine Master-Abschlussarbeit am MIT an, die erstmals die Boolesche Algebra und die Arithmetik im Dualsystem in elektrischen Relais und Schaltern realisierte. Unter dem Titel A Symbolic Analysis of Relay and Switching Circuits hat Shannons Arbeit die Konstruktion Digitaler Schaltkreise begründet.
- 1937 bis 1941 bauten John Atanasoff und Clifford Berry den ersten elektronischen Digitalrechner, den auf Elektronenröhren basierenden Atanasoff-Berry-Computer.
- Am 12. Mai 1941 führte Konrad Zuse einem kleinen Kreis in Berlin den weltweit ersten universell programmierbaren binären Digitalrechner, die elektromechanische Zuse Z3 vor, welcher aber im Zweiten Weltkrieg komplett zerstört wurde.
- Am 19. März 1955 stellten die Bell-Forschungslaboratorien den weltweit ersten ausschließlich mit Halbleiter-Elementen realisierten binären Digitalrechner, den TRansistorized Airborne DIgital Computer, vor.