Diskussion:Axiom

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Abgrenzungen

Innerhalb einer formalisierbaren Theorie ist eine These ein Satz, der bewiesen werden soll

Ein Axiom dagegen ist ein Satz, der nicht in der Theorie bewiesen werden soll, sondern beweislos vorausgesetzt wird

  • Wenn die gewählten Axiome der Theorie logisch unabhängig sind, so kann keines von ihnen aus den anderen hergeleitet werden
  • Im Rahmen eines formalen Kalküls sind die Axiome dieses Kalküls immer ableitbar
  • Dabei handelt es sich im formalen oder syntaktischen Sinne um einen Beweis; semantisch betrachtet handelt es sich um einen Zirkelschluss
  • Ansonsten gilt: „Geht eine Ableitung von den Axiomen eines Kalküls bzw. von wahren Aussagen aus, so spricht man von einem Beweis.“
Axiom wird als Gegenbegriff zu Theorem (im engeren Sinn) verwendet

Theoreme wie Axiome sind Sätze eines formalisierten Kalküls, die durch Ableitungsbeziehungen verbunden sind

  • Theoreme sind also Sätze, die durch formale Beweisgänge von Axiomen abgeleitet werden
  • Mitunter werden die Ausdrücke These und Theorem jedoch im weiteren Sinn für alle gültigen Sätze eines formalen Systems verwendet, d. h
  • als Oberbegriff, der sowohl Axiome als auch Theoreme im ursprünglichen Sinn umfasst

Axiome können somit als Bedingungen der vollständigen Theorie verstanden werden, insofern diese in einem formalisierten Kalkül ausdrückbar sind

  • Innerhalb einer interpretierten formalen Sprache können verschiedene Theorien durch die Auswahl der Axiome unterschieden werden
  • Bei nicht-interpretierten Kalkülen der formalen Logik spricht man statt von Theorien allerdings von logischen Systemen, die durch Axiome und Schlussregeln vollständig bestimmt sind
  • Dies relativiert den Begriff der Ableitbarkeit oder Beweisbarkeit: Sie besteht immer nur in Bezug auf ein gegebenes System
  • Die Axiome und die abgeleiteten Aussagen gehören zur Objektsprache, die Regeln zur Metasprache

Ein Kalkül ist jedoch nicht notwendigerweise ein Axiomatischer Kalkül, der also „aus einer Menge von Axiomen und einer möglichst kleinen Menge von Schlussregeln“ besteht

Immanuel Kant bezeichnet Axiome als „synthetische Grundsätze a priori, sofern sie unmittelbar gewiß sind“ und schließt sie durch diese Definition aus dem Bereich der Philosophie aus

  • Diese nämlich gründe sich auf Begriffe, die als abstrakte Vorstellungsbilder niemals als Gegenstand unmittelbarer Anschauung (Evidenz) besitzen
  • Daher grenzt er die diskursiven Grundsätze der Philosophie von den intuitiven der Mathematik ab: Erstere müssten sich „bequemen, ihre Befugniß wegen derselben durch gründliche Deduction zu rechtfertigen“ und erfüllen daher nicht die Kriterien eines a priori

Unterscheidungen

Der Ausdruck Axiom wird in drei Grundbedeutungen verwendet

  • Er bezeichnet
  1. einen unmittelbar einleuchtenden Grundsatz – den klassischen (materialen) Axiombegriff,
  2. ein Naturgesetz, das als Prinzip für empirisch gut bestätigte Regeln postuliert werden kann – den naturwissenschaftlichen (physikalischen) Axiombegriff,
  3. einen Ausgangssatz, der in einem Kalkül einer formalen Sprache als gültig vorausgesetzt wird – den modernen (formalen) Axiombegriff

Klassischer Axiombegriff

Der klassische Axiombegriff wird auf die Elemente der Geometrie des Euklid und die Analytica posteriora des Aristoteles zurückgeführt. Axiom bezeichnet in dieser Auffassung ein unmittelbar einleuchtendes Prinzip bzw. eine Bezugnahme auf ein solches

  • Ein Axiom in diesem essentialistischen Sinne bedarf aufgrund seiner Evidenz keines Beweises
  • Axiome wurden dabei angesehen als unbedingt wahre Sätze über existierende Gegenstände, die diesen Sätzen als objektive Realitäten gegenüberstehen
  • Diese Bedeutung war bis in das 19. Jahrhundert hinein vorherrschend

Am Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte eine „Abnabelung der Geometrie von der Wirklichkeit“

Die systematische Untersuchung unterschiedlicher Axiomensysteme für unterschiedliche Geometrien (euklidische, hyperbolische, sphärische Geometrie usw.), die unmöglich allesamt die aktuale Welt beschreiben konnten, musste zur Folge haben, dass der Axiombegriff formalistischer verstanden wurde und Axiome insgesamt im Sinne von Definitionen einen konventionellen Charakter erhielten

  • Als wegweisend erwiesen sich die Schriften David Hilberts zur Axiomatik, der das aus den empirischen Wissenschaften stammende Evidenzpostulat durch die formalen Kriterien von Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit ersetzte
  • Eine alternative Auffassungsweise bezieht daher ein Axiomensystem nicht einfach hin auf die aktuale Welt, sondern folgt dem Schema: Wenn irgendeine Struktur die Axiome erfüllt, dann erfüllt sie auch die Ableitungen aus den Axiomen (sog. Theoreme)
  • Derartige Auffassungen lassen sich im Implikationismus, Deduktivismus oder eliminativen Strukturalismus verorten

In axiomatisierten Kalkülen im Sinne der modernen formalen Logik können die klassischen epistemologischen (Evidenz, Gewissheit), ontologischen (Referenz auf ontologisch Grundlegenderes) oder konventionellen (Akzeptanz in einem bestimmten Kontext) Kriterien für die Auszeichnung von Axiomen entfallen

  • Axiome unterscheiden sich von Theoremen dann nur formal dadurch, dass sie die Grundlage logischer Ableitungen in einem gegebenen Kalkül sind
  • Als „grundsätzliches“ und „unabhängiges“ Prinzip sind sie innerhalb des Axiomensystems nicht aus anderen Ausgangssätzen abzuleiten und a priori keines formalen Beweises bedürftig

Naturwissenschaftlicher Axiombegriff

In den empirischen Wissenschaften bezeichnet man als Axiome auch grundlegende Gesetze, die vielfach empirisch bestätigt worden sind

Auch wissenschaftliche Theorien, insbesondere die Physik, beruhen auf Axiomen

  • Aus diesen werden Theorien geschlussfolgert, deren Theoreme und Korollare den Ausgang von Experimenten vorhersagen können
  • Stehen Aussagen der Theorie im Widerspruch zur experimentellen Beobachtung, werden die Axiome angepasst
  • Beispielsweise liefern die Newtonschen Axiome nur für „langsame“ und „große“ Systeme gute Vorhersagen und sind durch die Axiome der speziellen Relativitätstheorie und der Quantenmechanik abgelöst bzw. ergänzt worden
  • Trotzdem verwendet man die Newtonschen Axiome weiter für solche Systeme, da die Folgerungen einfacher sind und für die meisten Anwendungen die Ergebnisse hinreichend genau sind

Formaler Axiombegriff

Durch Hilbert (1899) wurde ein formaler Axiombegriff herrschend: Ein Axiom ist jede unabgeleitete Aussage

  • Dies ist eine rein formale Eigenschaft
  • Die Evidenz oder der ontologische Status eines Axioms spielen keine Rolle und bleiben einer gesondert zu betrachtenden Interpretation überlassen

Ein Axiom ist dann eine grundlegende Aussage, die

  • Bestandteil eines formalisierten Systems von Sätzen ist
  • Vorlage:Ankerohne Beweis angenommen wird und
  • aus der zusammen mit anderen Axiomen alle Sätze (Theoreme) des Systems logisch abgeleitet werden

Teilweise wird behauptet, in diesem Verständnis seien Axiome völlig willkürlich: Ein Axiom sei „ein unbewiesener und daher unverstandener Satz“, denn ob ein Axiom auf Einsicht beruht und daher „verstehbar“ ist, spielt zunächst keine Rolle

  • Richtig daran ist, dass ein Axiom – bezogen auf eine Theorie – unbewiesen ist
  • Das heißt aber nicht, dass ein Axiom unbeweisbar sein muss
  • Die Eigenschaft, ein Axiom zu sein, ist relativ zu einem formalen System
  • Was in einer Wissenschaft ein Axiom ist, kann in einer anderen ein Theorem sein

Ein Axiom ist unverstanden nur insofern, als seine Wahrheit formal nicht bewiesen, sondern vorausgesetzt ist

  • Der moderne Axiombegriff dient dazu, die Axiomeigenschaft von der Evidenzproblematik abzukoppeln, was aber nicht notwendigerweise bedeutet, dass es keine Evidenz gibt
  • Es ist allerdings ein bestimmendes Merkmal der axiomatischen Methode, dass bei der Deduktion der Theoreme nur auf der Basis formaler Regeln geschlossen wird und nicht von der Deutung der axiomatischen Zeichen Gebrauch gemacht wird

Die Frage, ob es (mathematische, logische, reale) Objekte gibt, für die das Axiomensystem zutrifft, interessiert zunächst nicht, wird aber mit der Widerspruchsfreiheit grob gleichgesetzt

  • Natürlich gelten Beispielobjekte, bei denen man mit dem Axiomensystem erfolgreich arbeiten kann, als Beleg für die Existenz solcher Objekte und für die Widerspruchsfreiheit des Axiomensystems