BSI/200-3/Einleitung

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Einleitung

Zielsetzung

Mit dem BSI-Standard 200-3 stellt das BSI ein leicht anzuwendendes und anerkanntes Vorgehen zur Verfügung, mit dem Institutionen ihre Informationssicherheitsrisiken angemessen und zielgerichtet steuern können.
  • Das Vorgehen basiert auf den elementaren Gefährdungen, die im IT-Grundschutz-Kompendium beschrieben sind und auf deren Basis auch die IT-Grundschutz-Bausteine erstellt werden.
In der Vorgehensweise nach IT-Grundschutz wird bei der Erstellung der IT-Grundschutz-Bausteine implizit eine Risikobewertung für Bereiche mit normalem Schutzbedarf vom BSI durchgeführt.
  • Hierbei werden nur solche Gefährdungen betrachtet, die eine so hohe Eintrittshäufigkeit oder so einschneidende Auswirkungen haben, dass Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden müssen.
  • Typische Gefährdungen, gegen die sich jeder schützen muss, sind z. B. Schäden durch Feuer, Wasser, Einbrecher, Schadsoftware oder Hardware-Defekte.
  • Dieser Ansatz hat den Vorteil, dass Anwender des IT-Grundschutzes für einen Großteil des Informationsverbundes keine individuelle Bedrohungs- und Schwachstellenanalyse durchführen müssen, weil diese bereits vorab vom BSI durchgeführt wurde.

Abgrenzung, Begriffe und Einordnung in den IT-Grundschutz

In bestimmten Fällen muss jedoch explizit eine Risikoanalyse durchgeführt werden, beispielsweise wenn der betrachtete Informationsverbund Zielobjekte enthält, die
  • einen hohen oder sehr hohen Schutzbedarf in mindestens einem der drei Grundwerte Vertraulich­keit, Integrität oder Verfügbarkeit haben oder
  • mit den existierenden Bausteinen des IT-Grundschutzes nicht hinreichend abgebildet (modelliert) werden können oder
  • in Einsatzszenarien (Umgebung, Anwendung) betrieben werden, die im Rahmen des IT-Grund­schutzes nicht vorgesehen sind.
In diesen Fällen stellen sich folgende Fragen
  • Welchen Gefährdungen für Informationen ist durch die Umsetzung der relevanten IT-Grund­schutz-Bausteine noch nicht ausreichend oder sogar noch gar nicht Rechnung getragen?
  • Müssen eventuell ergänzende Sicherheitsmaßnahmen, die über das IT-Grundschutz-Modell hin­ausgehen, eingeplant und umgesetzt werden?
Das vorliegende Dokument beschreibt, wie für bestimmte Zielobjekte festgestellt werden kann, ob und in welcher Hinsicht über den IT-Grundschutz hinaus Handlungsbedarf besteht, um Informationssicherheitsrisiken zu reduzieren.
  • Hierzu werden Risiken, die von elementaren Gefährdungen ausgehen, eingeschätzt und anhand einer Matrix bewertet.
  • Die Einschätzung erfolgt über die zu erwartende Häufigkeit des Eintretens und die Höhe des Schadens, der bei Eintritt des Schadensereignisses entsteht.
  • Aus diesen beiden Anteilen ergibt sich das Risiko.
Im vorliegenden BSI-Standard 200-3 ist die Risikoanalyse zweistufig angelegt
  • In einem ersten Schritt wird die in Kapitel 4 erstellte Gefährdungsübersicht systematisch abgearbeitet.
  • Dabei wird für jedes Zielobjekt und jede Gefährdung eine Bewertung unter der Annahme vorgenommen, dass bereits Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt oder geplant worden sind (siehe Beispiele in Kapitel 5).
  • In der Regel wird es sich hierbei um Sicherheitsmaßnahmen handeln, die aus den Basis- und Standard-Anforderungen des IT-Grundschutz-Kompendiums abgeleitet worden sind.
  • An die erste Bewertung schließt sich eine erneute Bewertung an, bei der die Sicherheitsmaßnahmen zur Risikobehandlung betrachtet werden (siehe Beispiele in Kapitel 6).
  • Durch einen Vorher-Nachher-Vergleich lässt sich die Wirksamkeit der Sicherheitsmaßnahmen prüfen, die zur Risikobehandlung eingesetzt worden sind.
Chancen und Risiken sind die häufig auf Berechnungen beruhenden Vorhersagen eines möglichen Nutzens im positiven Fall bzw. Schadens im negativen Fall.
  • Was als Nutzen oder Schaden aufgefasst wird, hängt von den Wertvorstellungen einer Institution ab.
Dieser Standard konzentriert sich auf die Betrachtung der negativen Auswirkungen von Risiken, mit dem Ziel, adäquate Maßnahmen zur Risikominimierung aufzuzeigen.
  • In der Praxis werden im Rahmen des Risikomanagements meistens nur die negativen Auswirkungen betrachtet.
  • Ergänzend hierzu sollten sich Institutionen jedoch durchaus auch mit den positiven Auswirkungen befassen.

Risikoanalyse

Als Risikoanalyse wird in diesem Werk der komplette Prozess bezeichnet, um Risiken zu beurteilen (identifizieren, einschätzen und bewerten) sowie zu behandeln. Risikoanalyse bezeichnet aber nach den einschlägigen ISO-Normen ISO 31000 (siehe [31000]) und ISO 27005 (siehe [27005]) nur einen Schritt im Rahmen der Risikobeurteilung, die aus den folgenden Schritten besteht
  • Identifikation von Risiken (Risk Identification)
  • Analyse von Risiken (Risk Analysis)
  • Evaluation oder Bewertung von Risiken (Risk Evaluation)
Im deutschen Sprachgebrauch hat sich allerdings der Begriff „Risikoanalyse“ für den kompletten Pro­zess der Risikobeurteilung und Risikobehandlung etabliert. Daher wird im IT-Grundschutz und auch in diesem Dokument weiter der Begriff „Risikoanalyse“ für den umfassenden Prozess benutzt.
Die Risikoanalyse nach BSI-Standard 200-3 sieht folgende Schritte vor (siehe auch Abbildung 1), die in den jeweiligen Kapiteln ausführlicher betrachtet werden.
  • Schritt 1: Erstellung einer Gefährdungsübersicht (siehe Kapitel 4)
    • Zusammenstellung einer Liste von möglichen elementaren Gefährdungen
    • Ermittlung zusätzlicher Gefährdungen, die über die elementaren Gefährdungen hinausgehen und sich aus dem spezifischen Einsatzszenario ergeben
  • Schritt 2: Risikoeinstufung (siehe Kapitel 5)
    • Risikoeinschätzung (Ermittlung von Eintrittshäufigkeit und Schadenshöhe)
    • Risikobewertung (Ermittlung der Risikokategorie)
  • Schritt 3: Risikobehandlung (siehe Kapitel 6)
    • Risikovermeidung
    • Risikoreduktion (Ermittlung von Sicherheitsmaßnahmen)
    • Risikotransfer
    • Risikoakzeptanz
  • Schritt 4: Konsolidierung des Sicherheitskonzepts (siehe Kapitel 7)
    • Integration der aufgrund der Risikoanalyse identifizierten zusätzlichen Maßnahmen in das Sicherheitskonzept
Abbildung 1
Integration der Risikoanalyse in den Sicherheitsprozess
In den internationalen Normen, insbesondere der ISO 31000, werden einige Begriffe anders belegt, als es im deutschen Sprachraum üblich ist.

Daher findet sich im Anhang eine Tabelle, in der die wesent­lichen Begriffe aus ISO 31000 und dem 200-3 gegenübergestellt werden (siehe Tabelle 11).

Adressatenkreis

Dieses Dokument richtet sich an Sicherheitsverantwortliche, -beauftragte, -experten, -berater und alle Interessierten, die mit dem Management von oder der Durchführung von Risikoanalysen für die Informationssicherheit betraut sind.
Dieser Standard bietet sich an, wenn Unternehmen oder Behörden bereits erfolgreich mit der IT-Grundschutz-Methodik gemäß BSI-Standard 200-2 (siehe [BSI2]) arbeiten und möglichst direkt eine Risikoanalyse an die IT-Grundschutz-Analyse anschließen möchten.
  • Abhängig von den Rahmenbedin­gungen einer Institution und der Art des Informationsverbunds kann es jedoch zweckmäßig sein, alternativ zum BSI-Standard 200-3 ein anderes etabliertes Verfahren oder eine angepasste Methodik für die Analyse von Informationsrisiken zu verwenden.

Anwendungsweise

Dieses Dokument beschreibt eine Methodik zur Analyse von Risiken.
  • Diese kann benutzt werden, um ein IT-Grundschutz-Sicherheitskonzept zu ergänzen.
  • Dabei wird die im IT-Grundschutz-Kompendium enthaltene Liste von elementaren Gefährdungen als Hilfsmittel verwendet.
  • Es wird empfohlen, die in den Kapiteln 2 bis 8 dargestellte Methodik Schritt für Schritt durchzuarbeiten.
Im BSI-Standard 100-4 Notfallmanagement (siehe [BSI4]) ist für besonders kritische Ressourcen der Geschäftsprozesse der Institution ebenfalls eine Risikoanalyse vorgesehen, die sich von der hier beschriebenen nur in einigen Begriffen unterscheidet.
  • Beide Risikoanalysen können effizient aufeinander abgestimmt werden.
  • Es ist sinnvoll, dass sich alle Rollen in einer Institution, die sich mit Risikomanagement für einen spezifischen Bereich beschäftigen, miteinander abstimmen und vergleichbare Vorgehensweisen wählen.