IPv6/SLAAC

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Stateless Address Autoconfiguration

Zweck

Die Stateless Address Autoconfiguration, kurz SLAAC, dient der automatischen Konfiguration von Adressen und Routen der Hosts am Link.

  • Damit reduziert IPv6 als Protokoll die

Abhängigkeit von dritten Komponenten zur Organisation des Links.

  • Die Nutzung von Stateless Address Autoconfiguration erfordert keine manuelle Konfiguration der Hosts und nur sehr wenige Konfigurationsschritte auf dem Router.
  • Damit einher geht der Verlust einer strengen Zuordnung von Adressen zu bestimmten Hosts.
  • In Umgebungen wo die Zuordnung von Adressen zu Hosts zentral gesteuert werden soll, ist dieser Ansatz nicht ausreichend.
  • Dort würde man auf DHCPv6 zurückgreifen.
  • Aber auch ein simultaner Betrieb von DHCPv6 und Stateless Address Autoconfiguration wäre denkbar.

Autoconfiguration

SLAAC ist Bestandteil der Autoconfiguration, die drei wesentliche Aufgaben hat:

  • Generieren einer Link-local Address
  • Durchführen der Stateless Address Autoconfiguration
  • Sicherstellen der Eindeutigkeit der generierten Adressen (Duplicate Address Detection)

Prinzipieller Ablauf

Abbildung 5.9 Prinzip von SLAAC

Den ersten Schritt macht der Host, indem er mittels Router Solicitation nach einem Router Advertisement fragt.

  • Alternativ könnte er auch ein periodisches Router Advertisement abwarten, diese Geduld beobachtet man aber eher selten.

Der Router verschickt das angeforderte Router Advertisement, welches alle konfigurationsrelevanten Daten enthält (Wir gehen der Einfachheit halber von nur einem Router aus.)

Daraufhin führt der Host die Konfiguration des Interfaces durch und prüft die Eindeutigkeit der selbst erzeugten Adressen.

  • Erst wenn diese Eindeutigkeit angenommen werden kann, ist die Konfiguration des Interfaces vollständig und gilt als beendet.

Duplicate Address Detection

Hinter der Duplicate Address Detection verbergen sich eigentlich mehrere Neighbor Solicitations.

  • Wenn ein Node feststellen möchte, ob eine Adresse schon von einem anderen Node genutzt wird, dann versucht er die zugehörige Linklayer Address aufzulösen.
  • Bleibt eine Antwort aus, benutzt offensichtlich kein anderer Node auf dem Link die überprüfte Adresse.
  • Um Fehlschlüsse aufgrund von Paketverlusten zu vermeiden, sollen mehrere Neighbor Solicitations verschickt werden.

Ab wann eine Adresse als eindeutig gilt, hängt von den Parametern der jeweiligen Implementierung ab.

  • Jede Adresse hat anfangs den Status tentative (probeweise).
  • Erst wenn die Duplicate Address Detection vollständig durchlaufen wurde, und keine Anzeichen darauf schließen lassen, dass die

Adresse bereits in Benutzung ist, wird die Adresse valid (gültig).

Autoconfiguration mitschneiden

Wir werden versuchen eine komplette Autoconfiguration von lynx mit Wireshark aufzufangen.

  • Vom Hochfahren des Interfaces bis zu seiner endgültigen Konfiguration.

Dazu öffnen wir ein root-Terminal auf lynx und fahren das Interface eth0 herunter:

root@lynx :~# ip link set down dev eth

Nun starten wir Wireshark und lassen ihn auf dem PseudoInterface any lauschen. Danach fahren wir eth0 wieder hoch:

root@lynx :~# ip link set up dev eth

In Wireshark können wir bereits Aktivität beobachten.

  • Wir warten den Abschluss der Konfiguration ab, sie ist erfolgreich verlaufen wenn wir Adressen mit den Parametern scope global und dynamic sehen:
user@lynx :~ $ ip addr show dev eth
2: eth : < BROADCAST , MULTICAST ,UP , LOWER_UP > mtu 15 qdisc pfifo_fast state UP qlen 1
link / ether : : :6 : d :1 e brd ff : ff : ff : ff : ff : ff inet6 2 a 1 :198:2 :8 a23 :2 : ff : fe6 : d1e /64 scope global dynamic valid_lft 3578 sec preferred_lft 1778 sec inet6 fe8 ::2 : ff : fe6 : d1e /64 scope link valid_lft forever preferred_lft forever

Wireshark kann jetzt den Mitschnitt beenden.

  • Von den vielen Paketen die wir mitgeschnitten haben sind nicht alle von Interesse.

Multicast DNS

Insbesondere die Pakete vom Typ Multicast DNS (mDNS) werden wir an dieser Stelle ignorieren.

  • Multicast DNS erlaubt die Auflösung von Namen der Domain .local zu Linklocal Addresses.
  • Leider belastet es dazu den Link ungefragt mit allerlei Paketen.
  • Da wir im Workshop keine lokale Namensauflösung auf Multicast-Basis nutzen, kümmern wir uns nicht weiter um dieses Protokoll.
  • Mehr zu Multicast DNS und seinem Nutzen für kleine Netze findet sich auf der gemeinsamen Website der Beteiligten Interessensgruppen. (http://www.multicastdns.org/)

Multicast Listener Report (Solicited Node)

Das erste interessante Paket im Mitschnitt ist ein Multicast Listener Report und wurde von lynx verschickt.

  • Der IPv6-Header ist in Abbildung 5.10 zu sehen.
Abbildung 5.10 SLAAC Paket 1: IPv6-Header

Als Quelladresse hat lynx die Unspecified Address gewählt. Das heißt, zum Zeitpunkt des Versendens stand keine passende, gültige Adresse zur Verfügung.

  • Die Zieladresse ist die Multicast Address für alle MLDv2-fähigen Router.
  • Zu finden auch in der Tabelle 4.5 in Abschnitt 4.5 Multicast.
  • Uns fällt das für MLDv2 Messages typische Hop Limit von 1 auf.
  • Bemerkenswert ist auch der Einsatz des Hop-by-Hop Options Extension Headers.
  • Neben der Padding Option, welche den Extension Header auf eine einheitliche Länge auffüllt, ist auch eine Router Alert Option vorhanden.
  • Sie informiert Multicastfähige Router darüber, dass sich eine MLDv2 Message im Paket befindet.
  • Interessierte Router werten die Nachricht dann aus und ziehen daraus Schlüsse für ihr Multicast Routing.
  • Die MLDv2 Message kann in Abbildung 5.11 eingesehen werden.

Genaugenommen handelt sich um eine MLDv2 Message der Art Changed to Exclude.

  • Wir haben in Abschnitt 4.5 Multicast bereits besprochen wie dieser Typ zu interpretieren ist.
  • Hier wird die Multicast Address ff 2::1:ff6 :d1e für alle potentiellen Multicast-Quellen freigegeben.
  • Die Nachricht entspricht dem Beitritt zur Multicast Group ff 2::1:ff6 :d1e.
  • Es handelt sich dabei um die Solicited Node Multicast Address von Interface eth0 auf lynx.

Gruppenbeitritt

Zu diesem Zeitpunkt hat lynx also bereits einen Interface Identifier erzeugt.

  • Der Beitritt zur entsprechenden Multicast Group gewährt ihm Zugang zu den Paketen dieser Gruppe.
Abbildung 5.11 SLAAC Paket 1:Multicast Listener Report

So hat er die Chance, frühzeitig zu erfahren, ob sein Interface Identifier schon verwendet wird.

  • Würde ein anderer Node seinen Interface Identifier bereits verwenden, so wäre dieser Node ebenfalls Mitglied der Multicast Group.
  • Eine doppelt vorkommende Adresse würde dadurch schneller auffallen.

Gruppen mit mehreren Mitgliedern

Es wäre allerdings auch möglich, dass ein anderer Node eine ähnliche Adresse verwendet.

  • Beispielsweise eine Adresse bei der sich die letzten 24 Bits gleichen.
  • Beide Nodes wären nun in derselben Gruppe, jene mit der gemeinsamen Solicited Node Multicast Address.
  • Beide Nodes würden auch Pakete empfangen, die nicht für sie bestimmt wären, die aufgrund der Ähnlichkeit der Adresse aber an die gemeinsame Gruppe geschickt wurden.
  • Jeder Node muss deshalb prüfen, ob ein Paket, welches an die Gruppe adressiert wurde, auch wirklich für ihn von Belang ist.
  • Auch lynx könnte Pakete empfangen, nach der Prüfung des Inhaltes aber feststellen, dass der eigene Interface Identifier davon nicht betroffen ist.

Duplicate Address Detection (Link-local)

Möchte lynx nun feststellen, ob die von ihm gewählte Adresse nicht nur vielleicht eindeutig ist, dann ist eine Duplicate Address Detection erfolgsversprechender.

  • Wenn sie fehlschlägt, dann ist die von lynx gewählte Adresse sehr wahrscheinlich
Abbildung 5.12: SLAAC Paket 2: Neighbor Solicitation

auf dem Link noch nicht vergeben.

  • Eine endgültige Gewissheit ist mit der Duplicate Address Detection nicht zu erreichen.
  • Im ungünstigsten Fall gehen genau jene Pakete verloren, die auf eine doppelte Adresse hinweisen würden.
  • Dazu sendet lynx eine Neighbor Solicitation für die selbst erzeugte Adresse aus (siehe Abbildung 5.12).

Als Quelladresse wählt er wieder die Unspecified Address, da die Link-local Address noch nicht als eindeutig gilt.

  • Die Neighbor Solicitation geht an die Solicited Node Multicast Address der zu überprüfenden Link-local Address.
  • Im Feld Target Address taucht die gewünschte Adresse fe8 ::2 :ff:fe6 :d1e schließlich auf.

Das Ausbleiben eines Neighbor Advertisements wertet der Node als Anzeichen für die Eindeutigkeit seiner Adresse auf dem Link.

  • Sie wird dann dem Interface zugewiesen und gilt fortan als valid.

Router Solicitation

Nachdem lynx nun eine gültige Link-local Address hat, versucht er auch eine gültige Adresse für den Global Scope zu erhalten.

  • Dazu lässt er sich von jedem Router am Link ein Router
Abbildung 5.13: SLAAC Paket 3: Router Solicitation

Advertisement zukommen.

  • Die Anforderung der Router Advertisements geschieht mit Hilfe einer Router Solicitation, die in Abbildung 5.13 zu sehen ist.

Die Nachricht wird von der Link-local Address des Hosts gesendet, hier von der Adresse fe8 ::2 :ff:fe6 :d1e.

  • Als Zieladresse wird die All Routers Multicast Address ff 2::2 verwendet, die wir schon in der Tabelle 4.5 in Abschnitt 4.5 Multicast gesehen haben.
  • Angehängt an die Router Solicitation ist, eine ICMPv6-Option mit der Link-layer Address des Absenders.

Router Advertisement

Alle Router am Link antworten auf die Router Solicitation mit einem Router Advertisement.

  • Da wir nur einen Router am Link haben, nämlich fuzzball, erhalten wir auch nur ein Router Advertisement.

Wir werden es hier nicht genauer besprechen, denn das haben wir in Abschnitt 5.1 Ein Präfix für den Link schon getan.

  • Ein auffrischender Blick in das Paket wird aber sicher nicht schaden.
Abbildung 5.14: SLAAC Paket 5: IPv6-Header

Nach dem Erhalt des Router Advertisements erzeugt lynx eine Global Unicast Address.

  • Dazu verwendet er das von fuzzball verteilte Präfix und den bereits vorhandenen Interface Identifier.

Multicast Listener Report (Solicited Node, Multicast-DNS)

Auch für diese Adresse muss eine Duplicate Address Detection durchgeführt werden.

  • Die beginnt wieder mit dem Beitritt zu der passenden Multicast Group.
  • Obwohl sich die Solicited Node Multicast Address für die Global Unicast Address nicht von der für die Link-local Address unterscheidet, versendet lynx einen neuen Multicast Listener Report.
  • Der wesentliche Unterschied ist die Quelladresse des Paketes, siehe auch Abbildung 5.14.

Anstatt der Unspecified Address kommt diesmal die Link-local Address zum Einsatz.

  • Der Rest des Paketes ist in Abbildung 5.15 dargestellt.

Unverändert geblieben ist der Beitritt zur Solicited Node Multicast Group, der erneut mithilfe von Changed to Exclude erreicht wurde.

  • Und einen weiteren Gruppenbeitritt können wir
Abbildung 5.15 SLAAC Paket 5: Multicast Listener Report

im Paket entdecken, der Beitritt zur Gruppe ff 2::fb.

  • Dies ist die Multicast DNS Address für die Verwendung mit IPv6, und für unser Netz nicht weiter wichtig.

Duplicate Address Detection (Global Unicast)

Der letzte Schritt ist die Durchführung der Duplicate Address Detection für die Global Unicast Address.

  • Dazu sendet lynx wieder eine Neighbor Solicitation, zu sehen in Abbildung 5.16, aus.

Mit dem Ausbleiben einer Antwort ist die Stateless Address Autoconfiguration abgeschlossen.

  • Das Interface eth0 ist nun fertig konfiguriert.

Konnektivitätstest

Einem Test der Konnektivität von lynx steht nun nichts mehr im Wege.

  • Dazu verschicken wir Echo Requests von lynx an den Tunnelendpunkt von SixXS:
user@lynx :~ $ ping6 -c 3 2 a 1 :198:2 : a23 ::1
PING 2 a 1 :198:2 : a23 ::1 (2 a 1 :198:2 : a23 ::1) 56 data '
bytes
64 bytes from 2 a 1 :198:2 : a23 ::1: icmp_seq =1 ttl =63 '
time =8. 2 ms
3 packets transmitted , 3 received , % packet loss , time '
2 3 ms
Abbildung 5.16: SLAAC Paket 6: Neighbor Solicitation

Da Echo Replies eintreffen, können wir davon ausgehen dass das Routing funktioniert.

  • Den Beweis können wir auch mit traceroute6 antreten:
user@lynx :~ $ traceroute6 -n 2 a 1 :198:2 : a23 ::1
traceroute to 2 a 1 :198:2 : a23 ::1 (2 a 1 :198:2 : a23 ::1) , '
3 hops max , 8 byte packets
1 2 a 1 :198:2 :8 a23 ::1 2.2 4 ms
.162 ms
.193 ms
2 2 a 1 :198:2 : a23 ::1 13.255 ms 13.412 ms 19.135 ms

An erster Stelle steht der nächste Hop, in unserem Fall die Adresse des Interfaces eth1 von fuzzball.

  • Schon in der zweiten Zeile ist das Ziel erreicht.

SLAAC unter Windows 8

Nun werden wir die eben erworbenen Fähigkeiten zur Analyse einer Autoconfiguration auf felis anwenden.

  • Bei dieser Gelegenheit werden wir auch Unterschiede entdecken, die durch Aktivierung von Privacy Extensions auftreten.
  • Dazu öffnen wir als Administrator ein Terminal und stellen sicher das die Privacy Extensions aktiviert sind.
  • Nach dem Betätigen der Tastenkombination Windowstaste+X erscheint ein Menü in dem wir den Punkt Command Prompt (Admin) auswählen:
Abbildung 5.17 SLAAC unter Windows 8
C :\ Users \ user > netsh interface ipv6 set global randomizeidentifiers = enabled
Ok.

Leider kommt es unter Windows 8 beim Betrieb von Wireshark manchmal zu Problemen.

  • Der benötigte Treiber zum Mitschnitt von Daten heißt Windows Packet Capture (WinPcap), je nach Update-Stand von felis kann er funktionieren oder auch nicht.
  • Als Lösung bietet es sich an, den Verkehr von eth1 auf fuzzball mitzuschreiben, auch dort kommen die Pakete vorbei.

Sobald Wireshark bereit ist, deaktivieren wir die LAN-Verbindung auf felis und aktivieren sie anschließend wieder.

  • Bei einer Beobachtung von fuzzball aus, können wir alternativ auch einen Neustart von felis durchführen.
  • In beiden Fällen ergibt sich ein Mitschnitt, der dem aus Abbildung 5.17 ähnlich sieht.

Eigene Untersuchungen

Untersuchen Sie die einzelnen Pakete und finden Sie heraus, zu welchem Zweck jedes einzelne versendet wurde.

  • Sie können sich dabei auf ICMPv6 beschränken und auch die

Teile von MLDv2, die sich um Multicast DNS drehen, ignorieren.

  • Erkennen Sie anhand der Informationen in den Paketen, ob diese sich auf einen zufälligen (Privacy Extensions)

oder auf einen EUI-64-basierten Interface Identifier beziehen?

Abbildung 5.18: Interner Link mit DNS-Server